Irr Reale Traumbilder

Konrad Abeggs Aquarelle aus der Serie «traumatisiert» packen unmittelbar. Beeindruckt von Berichten aus dem Irakkrieg schuf er 2003 im Atelier am Rotsee eine vielteilige Bilderfolge. Einerseits scheinen darin Gewalt, Leid, Schrecken und Ekel unmissverständlich auf.

Anderseits kippen Blätter vom Traumatischen ins Traumhafte. Offene Münder und einzelne Gliedmassen künden nicht nur von Misshandlung und Verstümmelung; sie bannen den Horror, indem sie in einer irrealen Welt agieren. Wie unsere Vorfahren Mythen, Sagen und Märchen kreierten, um dem Wahnsinn Sinn abzufordern, um das Unbegreifliche in den Griff zu bekommen, so behauptet sich der Erzähler Abegg neben dem Chronisten. Wir alle wissen, dass sich der bitteren Realität, auch dem alltäglichen Schrecken hier bei uns, der sich in Angstzuständen, Panikattacken, Übergriffen aller Art manifestiert, mit Kunst nicht beikommen lässt.

 

Kunst kann nicht den Anspruch haben, die Welt zu verändern. Kunst, wie wir sie hier sehen, zieht sich aber auch nicht in den Elfenbeinturm zurück, sie hält stand, meldet sich vielleicht mit verhaltener Stimme, aber sie verstummt nicht. Sie ist ein Plädoyer für die Vitalität: die Akteure auf Abeggs Bildern tanzen, taumeln, laufen in die Irre und fassen wieder Tritt. Seine profanen Votivbilder sind auf Dauer angelegt und verschwinden nicht aus dem Blickfeld, wenn unausweichlich die nächsten News das Unerhörte aus unseren Köpfen und Herzen verdrängen. Die Kunst ist hier ein Spiegel, der weder blind wird noch blendet, sondern der wiedergibt, was bewahrt gehört. Abeggs Spiegel halten den Läufer fest, der sich mit den Armen rudernd davonmachen will, sie frieren den Schrei ein, der den Brustkorb sprengt, sie suchen mit grossen Augen unseren Blick.

Urs Sibler an der Ausstellungseröffnung „Irr-Reale Traumbilder“ im MAZ, 2005.